Stillbirth hatten in die Goldgrube Kassel geladen und brachten ein Potpourri an internationalen Bands mit aus Spanien, Frankreich und China. Vier Extreme im Club – ein Inferno aus Brutalität. Ich war wie immer früh da, denn es war klar, dass es voll werden würde. So starteten pünktlich Phrymerial aus Spanien. Sie haben sich seit 2014 den Technical Brutal Death Metal auf die Fahne geschrieben und in drei Longplayern verewigt. Der aktuelle Release wurde schon am 26.Mai ’25 veröffentlicht und schimpft sich „Earth Wonderland“. Die Besetzung besteht aus John Puig – Vocals, Dany Morton – Gitarre, sowie Jeshua Roche und Anton Bilozerov an Drums und Bass. Was die Vier da auf die Beine brachten, war nichts weniger als ein musikalischer Schlag in die Fresse. Die Gitarrenläufe überschlugen sich in Geschwindigkeit und Komplexität, während das Drumming Maschinengewehrfeuer glich. Trotz aller technischen Versiertheit ging der Groove nicht verloren. Ein mehr als würdiger Auftakt des knallharten Abends.
Als Zweiter betraten die Franzosen von Kanine die Bühne und machten sofort klar, dass Slam-Deathcore aus unserem Nachbarland alles andere als zimperlich ist. Damals auf dem Schlachtnacht Open Air in Göttingen, wo sie mit Embrace Your Punishment, Viscera Trail und Malignancy spielten, eroberten sie mein Herz im Sturm. Die aus Strasbourg stammende Band hat 2022 mit „Karnage“ ein Killerdebütalbum abgeliefert, welches unter Deathcorefans breiten anklang fand. Am 4. September diesen Jahres gab es mit der Single “ Doom Bringer“ neues Futter. Tiefergestimmte Gitarre von Alexandre Lorentz, möderisches Fundament von Gabriel Labeauvie am Schlagzeug und Lucas Eckart Bass, sowie der besonders tiefen Growlstimme des Sängers Jason Gerhard. Ein Stimmvolumen das mir Gänsepelle beschert. Die Scheinwerfer gingen aus und nur mit Stroboskoplichtern befeuert erzitterten die Wände der Grube. Fotografieren unmöglich, es gibt nur einige Glücksaufnahmen. Hier ist wieder ein Beispiel, wie sehr eine Band anders klingen kann als auf einem Open Air. Die massive und gut ausgesteuerte Soundanlage verwandelte das Set in einen Vulkanausbruch aus Growls und Breakdowns; als würde die Welt untergehen. Die Crowd ging steil und die ersten Shirts waren durchnässt. Beim letzten Song setzte sich der Sänger eine zu kleine Plastikbrille auf und befeuerte das Publikum aus zwei Pistolen mit Seifenblasen. Was ein Kontrast zur Musik.
Dann kamen die Chinesen: Dehumanizing Itatrain Worship, was soviel bedeutet wie Entmenschlichende Itazug Verehrung. Der Bandname kommt aus einer Bewegung von Menschen, die mehr als besessen von Itazügen sind.(Das sind Züge mit Cartoon/Anime Graffiti darauf, es gibt auch Itabikes und Itacars) Der Sänger fand das Getue lächerlich. Die Band existiert seit 2016 und sind Itsuca, Kiryu Zhang, Zhanchang Yuan Yaojing und Hu Jiakang. Die Musik auf dem Album „Otakuslam🖤Animecide“ dreht sich hauptsächlich um die Animeserie „LoveLive“. Die aktuelle Single „Brutal Panzer“ wurde durch die Anime „Girls and Panzer“ inspiriert. «Wir lieben die militärische Otaku-Kultur, genau wie die Charaktere, die Kawaii-Girls sind, aber Panzer in die Schlacht fahren.» Musikalisch ging es in die tiefsten Regionen des Death Metal – ultra tiefe Growls, scheppernde Slams und ein fast schon parodistischer Nihilismus. Jedoch nicht anspruchslos, wie auch die Zusammenarbeit z.B. mit Kraanium, Bodysnatcher oder Chelsea Grin zeigt. Für mich ganz persönlich die Neuentdeckung des Abends.
Nichtsdestotrotz zeigten Stillbirth ganz klar, warum sie Headliner der Tour sind. Die Surf-Szene-Veteranen sind dabei ihr 9.Album mit Brutal-Surf-Death-Metal zu präsentieren, welches jedoch erst am 31.Oktober ’25 erscheint. Vorab gab es schon mal die Single „Baptized in Blood“. Die Deutschen treiben seit 1999 ihr Unwesen mit einer 2jährigen Bandpause und das aktuelle Line-up besteht aus: Luke Swiaczny – Gesang, Martin Grube – Drums, Lukas Kaminski – Bass, Leonatd Willi – Gitarre und Szymon Skiba – Gitarre. Da ich Stillbirth letztes Jahr mit Disentomb in der Goldgrube gesehen hatte, wusste ich, was auf mich zukommt. Einen Sack Flöhe fotografieren. Party auf der Bühne ohne ein sekündchen Pause. Kein Wunder, dass sie nur jemanden zum Filmen dabei haben – lach. Die Jungs machen nicht nur ordentlichen Krach, sondern besitzen ebensoviel Humor und gute Laune, die die Schnappschüsse herrlich lustig machen und die Ausgelassenheit über sich selbst zu lachen wiederspiegelt. Musiktechnisch donnern sie das volle Brett, die knallvolle Hütte kochte, Circle Pits kreisten und die Wall of Death, extra vom Sänger initiiert, eine der größten im kleinen Club. Die Zugabe wurde gleich hintendran gespielt und so konnten alle zeitig, aber klitschnass geschwitzt, nach Hause fahren. Was ein lustiger Abend: Hier war heute nicht nur Brutalität am Werk, sondern auch Humor und eine gehörige Portion Selbstironie.